Krise in Social Media: Was ist ein Shitstorm?
Shitstorm – Ein Sturm der Entrüstung, Beleidigungen und eine buchstäbliche Welle, die aus dem Internet – vornehmlich aus den Sozialen Medien – kommend, über das Unternehmen hinwegrollt. Eine schwer reparable Reputationsschädigung kann die Folge sein.
Es ist also wichtig, die sozialen Medien zu beobachten, denn wenn sich ein Shitstorm ankündigt, ist es essenziell wichtig, schnell und richtig zu reagieren.
Was ist ein Shitstorm?
Ein sogenannter Shitstorm kann jede*n treffen. Eine Privatperson genauso wie eine Unternehmung, einen Verein oder eine Behörde. Bei einem Shitstorm handelt es sich um eine geballte Anzahl negativer Meinungen. Er entsteht meist in sozialen Netzwerken oder auf Blogs aufgrund empörter Reaktionen auf Äußerungen oder Taten von Personen oder Unternehmen.
Die Unzufriedenheit kann durch offenkundige Missstände, Kommunikationsfehler, fragwürdige Aktivitäten, enttäuschte Erwartungen oder einen Verstoß gegen ein Wertesystem hervorgerufen worden sein. Innerhalb kurzer Zeit wird eine riesige Menge an Kritik öffentlich geäußert, auch über Social Media hinaus. Polemik, Hass-Kommentare, Beleidigungen und Dislikes begleiten schnell diese Welle an Aufregung.
Der Shitstorm beginnt in der Regel durch die Kritik einer oder ein paar wenigen Personen. Den negativen Äußerungen schließen sich dann immer mehr Akteure an. Wie bei einem rollenden Schneeball kann sich die Menge der geäußerten Kritik innerhalb kürzester Zeit enorm potenzieren.
Die Empörungswelle schwillt wie eine Lawine an, oftmals dominieren dann schlichte Beleidigungen und Hass über die zuerst geäußerten sachlichen Kommentare.
Phasen eines Shitstorms
Monitoring-Unternehmen teilen Shitstorms häufig in drei Phasen ein:
Phase:
Die Beiträge bewegen sich noch im normalen Niveau-Bereich, auch die Tonalität und die Anzahl der Äußerungen zeigen noch keine Auffälligkeiten.Phase:
Innerhalb kürzester Zeit kippt das Verhältnis, etwa von Posts, hin zu einer ungewöhnlich hohen Menge an negativen Äußerungen. Jetzt herrscht die akute Shitstorm-Phase. Die Beitragsanzahl erreicht ihren Höhepunkt. Zusätzliche Aufmerksamkeit und ein verstärktes Entfachen kann durch die Berichterstattung in Massenmedien erreicht werden. Wenn keine weiteren Fehler folgen, klingt der Shitstorm nach dieser akuten Phase meist wieder ab.Phase:
Die akute Phase des Shitstorms ist vorbei. Der Shitstorm wird noch eine ganze Weile nachklingen. Negative Äußerungen und Kritik sind immer noch präsent, haben bekannte Medien darüber berichtet, ist die Auffindbarkeit noch sehr lange gewährleistet. Bekanntermaßen vergisst das Internet nie.
Deswegen ist es umso wichtiger, so schnell wie möglich und vor allem bedacht und professionell zu reagieren.
So kann ein Shitstorm im Idealfall schon frühestmöglich erkannt und abgewendet werden. Ein ständiges Monitoring kann helfen, sämtliche Kanäle im Blick zu halten und somit rechtzeitig von negativen Äußerungen zu erfahren.
Wie auf einen Shitstorm reagieren?
Es wäre zu schön, doch einen allgemeingültigen Shitstorm-Krisenplan gibt es leider nicht. Die individuelle Situation muss bewertet und Handlungsempfehlungen müssen entsprechend abgeleitet werden.
Grundsätzlich empfehlen wir natürlich, genauso wie zahlreiche Experten, einer Eskalation der Situation entgegenzuwirken.
Dabei ist es wichtig, authentisch zu handeln, den Protagonisten auf Augenhöhe zu begegnen und ehrlich und offen zu kommunizieren.
Situation in Ruhe analysieren
Panik führt häufig zu Überreaktionen. Daher ist es sinnvoll, die Situation zuerst in Ruhe zu analysieren und zu bewerten. Ist die Kritik berechtigt? Häufen sich negative Kommentare? Wie kann den Kritikern auf Augenhöhe begegnet und diese besänftigt oder entkräftet werden?Keine Zensur vornehmen
Unerwünschte Kommentare zu löschen oder Kommunikationskanäle komplett zu schließen ist kein guter Weg. Die Krise verlagert sich auf eine andere Plattform und es besteht die Gefahr am Ende noch schlechter dazustehen.
Auch das rechtliche Vorgehen gegen Kritiker sollte wohlüberlegt sein. Sind Shitstorm-Angriffe nur noch beleidigend, ungerechtfertigt und aggressiv, sorgt die Community selbst manchmal für eine Disqualifizierung der Protagonisten.Äußerungen ernst nehmen
Unternehmen, die offensichtliche Missstände nicht vom Tisch wischen, Fehler eingestehen und einen Plan für die Zukunft präsentieren, stehen wesentlich besser da, als andere, die versuchen, die Kritik zu verschleiern oder vor ihr zu fliehen.
Ist bereits eine Welle von Negativkommentaren über das Unternehmen geschwappt, sind Abstreiten und Verneinen in den allermeisten Fällen die falsche Strategie.Ehrlich und offen kommunizieren
Während und nach einem Shitstorm hängt das Unternehmensimage von der Art der Kommunikation ab. Im Fall einer Krise hilft Offenheit das Vertrauen der Kunden*innen, Mitarbeiter*innen, Stakeholder, Geldgeber*innen und Aktionäre*innen zurückzugewinnen. Für ehrliche und offene PR-Kommunikation ist jedoch besonderes Fingerspitzengefühl gefragt.Kommunikationskanäle vollumfänglich nutzen
Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, ist bei einem Shitstorm besonders wichtig. Über Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, die Firmenwebseite und schriftliche Mitteilungen kann öffentlich Stellung bezogen werden. Social-Media-Kanäle und eine Service-Hotline bietet die Chance für einen persönlichen Kontakt. Vielschichtige Kommunikation ist beim Abwenden eines Shitstorms empfehlenswert.
Shitstorm-Beispiele
An dieser Stelle wollen wir einen Einblick, genauer gesagt eine Zusammenstellung einiger bekannter Shitstorm Beispiele der vergangenen Jahre geben.
DELL
Kundenkritik Beachtung schenken und diese ernst nehmen
Der Computerhersteller DELL erlebte im Jahr 2005 vermutlich den ersten großen Shitstorm der Internetgeschichte. Der Journalist und Blogger Jeff Jarvis äußerte sich auf seiner Website frustriert über DELL Produkte und den Kundenservice. Das Unternehmen reagierte nicht, dafür aber seine Internetcommunity. Seine Blog-Leser*innen zeigten sich solidarisch und posteten eigene negative Erfahrungen.
Die Empörungswelle schwoll innerhalb kürzester Zeit an. Mehr und mehr Medien berichteten über die schlechte Unternehmenskommunikation von Dell und die Umsätze sanken rapide. Dann investierte Dell viel Geld in Spezialisten*innen. Diese scannten die Social-Media-Kanäle nach Kritik, begegneten den Kunden auf Augenhöhe und konnten sie beruhigen.
Nestlé
Verschleierungstaktik verschlimmert die Situation
Greenpeace veröffentlichte Anfang 2010 ein Video auf YouTube im Stile einer Kitkat Werbung. In dem Clip zieht ein Mann einen Kitkat-Riegel aus der Verpackung, doch statt dem Schokoriegel hält er einen blutigen Orang-Utan-Finger in der Hand.
Greenpeace wollte mit diesem Video darauf aufmerksam machen, dass Nestlé Palmöl vom Produzenten Sinar Mas verwendet. Der Produzent gilt als umstritten, da er für die Produktion des Palmöls große Urwaldflächen rodet und damit die Lebensräume vieler geschützter Arten zerstört.
Kurzerhand ließ Nestlé das Video von YouTube verschwinden und löschte kritische Stimmen von der eigenen Facebook-Page. Diese Verschleierungstaktik ging umgehend nach hinten los. Die öffentliche Empörung stieg noch weiter an und das Video von Greenpeace wurde erst recht auf unzähligen Webseiten geteilt. Am Ende gab Nestlé nach und versprach zukünftig mehr Palmöl von verantwortungsvollen Produzenten beziehen zu wollen.
Pril
Was tun, wenn sich die Kunden Spülmittel mit Hähnchengeschmack wünschen?
Im Jahr 2011 startete Pril eine Social-Media-Kampagne mit dem Slogan „Mein Pril – Mein Stil“. Verbraucher konnten ihrer Kreativität freien Lauf lassen und Varianten für eine limitierte Designedition vorschlagen. Die zwei Designs von Kunden*innen mit den meisten Stimmen sollten es in den Handel schaffen.
Womit Henkel allerdings nicht rechnete war, dass die Community ein Design mit einem braunen Etikett und dem Schriftzug “Schmeckt lecker nach Hähnchen” in einer krakeligen Handschrift wählten.
Das Unternehmen zeigte sich wenig mutig und machte einen Rückzieher. Es ernannte schließlich eine fünfköpfige Jury, die zwei unternehmensverträgliche Designs wählten. Die Community fühlte sich betrogen, denn die Grillhähnchen-Spülmittelflasche kam nicht in den Handel. Der Unmut wurde über Facebook und Twitter geäußert – die Sympathie der Marke hatte deutlich gelitten.
ING-DiBa
Ein Shitstorm kann zu Solidarität führen
In einem Werbevideo der ING-DiBa im Jahr 2012 war Basketballspieler Dirk Nowitzki zu sehen, wie er eine Scheibe Wurst in einer Metzgerei geschenkt bekam und aß. Deutschlandweit schlossen sich Veganer zusammen und wetterten gegen das Unternehmen. Auf Facebook prasselte es Kritik über die Darstellung des Fleischkonsums. Der Ton der Kritiker*innen war rau und aggressiv.
Das Unternehmen wartete ab und unternahm erstmal nichts. „Wir wollen nichts zensieren und sind für eine freie Diskussion“, sagte der Unternehmenssprecher. Diese Strategie erwies sich als die richtige. Fleischliebhaber und Massenmedien stellten nicht das Unternehmen an den Pranger, sondern die Kritiker*innen. Die Veganer waren – damals noch – gegenüber der fleischessenden Community letztlich in der Unterzahl. Die Kritikrichtung hatte sich geändert. Die Kunden*innen hatten sich aus freien Stücken mit dem Unternehmen solidarisiert.
Anhand dieser Beispiele ist zu sehen, wie unterschiedlich Unternehmen auf einen Shitstorm reagieren können. Manche Strategien und Taktiken sind sinnvoll, andere verschlimmern die Situation nur. Ein durchdachtes und besonnenes Krisenmanagement kann helfen, einen Shitstorm rechtzeitig abzuwenden.
Fazit zum Krisenmanagement in Social Media
Viele Unternehmer haben heute nicht nur Respekt, sondern echte Angst, dass auch sie eines Tages Zielscheibe eines Shitstorms werden könnten. Sie hoffen, dass ihr PR-Team im Fall einer nahenden Kritikflut richtig und vor allem rechtzeitig reagiert.
Um einem Shitstorm richtig zu begegnen, sollte in ruhigen und friedlichen Zeiten ein durchdachter Notfallplan erarbeitet werden. Monitoring Systeme helfen bei der Beobachtung von Internetseiten wie Blogs und Social-Media-Plattformen. Dank täglicher Zusammenfassungen und Benachrichtigungen bekommt die Unternehmenskommunikation Aufschluss über die Stimmung in Erwähnungen und Kommentaren.
Es ist möglich, dass Unternehmen gestärkt aus einer Krise hervorgehen, wenn sie Fehler offen zugeben und ehrlich kommunizieren. Proaktives, kompetentes und transparentes Handeln schafft Vertrauen bei den Kunden*innen, auch in schwierigen Zeiten.
Aus Sicht einer Unternehmung kann ein gut begleiteter Shitstorm sogar zu einer positiven Umstrukturierung, einem Umdenken oder sogar einer Neuausrichtung des Unternehmens führen.
Mit der richtigen Strategie kann ein Unternehmen gestärkt aus einer solchen Krise hervorgehen, Sympathiepunkte sammeln und die Markenbekanntheit auch im positiven Sinne steigern.
Neue Werte hilft gern beim Thema Unternehmenskommunikation – in guten wie in schlechten Zeiten.